„Doh woaeahr eamoeahl ea Mahdschea, doaeass hadd als ean als däj ruhd Kabbea off, däj sea voh ieahm Wähsi gridd hadd.“ 

So liest sich der Beginn der Geschichte vom Rotkäppchen in einer von Jürgen Piwowar erfundenen Lautschrift für mittelhessische Mundarten.

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Wie sich dieses bekannte Märchen der Gebrüder Grimm anhört, wenn es laut und lebendig in dieser urtümlichen Sprache vorgetragen wird, das konnten die Besucher der Veranstaltung ‚Rotkäppchen und Joringel’ am 8.10 2016 im Antiquariat Buchbasalt erfahren.

Der selbst aus dem oberhessischen Münster (Laubach) stammende Referent erfüllte bei seinem Lese-Vortrag den kleinen Buchladen in der Untergasse mit Worten und Lauten, die Manchem im Publikum sehr fremd erschienen, anderen dagegen bekannt und vertraut waren. Während es für die einen – nicht nur für die ‚Zugezogenen’ – zum Teil eine hohe Konzentration erforderte, dem Inhalt des jeweils vorgelesenen Textes zu folgen, konnten sich v.a. die Einheimischen und anwesende Mundartexperten daran freuen, die Geschichten von ‚Deas Ruhdkäbbi’ (Rotkäppchen), Di dswelleaf Geabrojrear (Die zwölf Brüder) oder ‚Dea Wollf eeann di siwwea Heddseaschean (Der Wolf und die sieben jungen Geißlein) und weitere Märchen in dieser Weise genießen zu können.

Es sei für ihn etwas besonderes, die von ihm in urtümliche Mundart übersetzten Geschichten in seiner oberhessischen Heimat präsentieren zu können, betonte Jürgen Piwowar, der jahrelang als Kunst- und Biologielehrer in Berlin gearbeitet hat und jetzt im Ruhestand in Lockstädt lebt.

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Seine Ausführungen – unter anderem seine These, dass es sich bei den doch sehr ähnlich klingenden Mundarten vom Westerwald bis zum Vogelsberg „um die Reste einer uralten Sprache handelt, deren Laute im Kern aus einer Zeit stammten, bevor die künstliche, hochdeutsche Sprachentwicklung begann“ – waren auch Anlass für intensive Gespräche unter den Anwesenden. Es wurde viel diskutiert, erzählt und nachgefragt. Dabei war immer wieder spürbar, dass der Erhalt der unterschiedlichen Mundarten im Vogelsberg für viele Menschen ein Herzensanliegen ist und sie nicht einfach verschwinden sollten.

Jürgen Piwowar jedenfalls hofft, dass er mit seinen Übersetzungen und vor allem seiner Lautschrift dazu beitragen kann, „dass die uralte Mundart eine Chance hat, vor dem Vergessen bewahrt zu werden.“

 

 

 

 

 

Written by Aegidius